Jin Shin Jyutsu - Alles nur Placebo

Wirkt Jin Shin Jyutsu nur, wenn man daran glaubt? Ist alles also nur Placebo? Über einen interessanten psychologischen Effekt beim Strömen.

Es gibt mal wieder ein Gespräch, in dem ich erklären soll, was dieses ominöse Jin Shin Jyutsu ist.

Wie in gefühlten 93% solcher Gespräche üblich, kommt dann auch prompt die Frage:

„Das ist ja alles schön und gut, was du da erzählst. Aber im Ernst, da muss man schon dran glauben, damit es hilft, oder?“

Was soll es bedeuten, wenn jemand das mit aller Skepsis sagt?

Ich verstehe eine solche Aussage so, dass die Methode, die angewendet wird, „eigentlich“ keinerlei Wirkung besitzt. Durch die positive Erwartungshaltung des Behandelten entsteht aber dennoch ein Effekt. Indem man „daran glaubt“, entfaltet sich eine Grundstimmung – manche nennen es Selbstheilungskraft. Diese führt dazu, dass sich Zustände entspannen können und es einem nach einer Behandlung besser geht.

Ich möchte an dieser Stelle zunächst betonen, dass ich fest davon überzeugt bin, dass eine Behandlung mit Jin Shin Jyutsu nicht allein mit diesem Effekt arbeitet, sondern die Wirkung weit darüber hinausgeht.

Aber selbst, wenn wir unterstellen würden, dass es sich rein um diesen in der Medizin Placebo-Effekt genannten Umstand handeln würde: Was wäre daran so verwerflich?  Mit dieser Herabwürdigung tun wir einem sehr wirksamen psychologischen Wirkmechanismus sehr unrecht.

Hoch lebe der Placebo-Effekt

Es ist auch in der Schulmedizin gang und gäbe, dass der Placebo-Effekt auftritt. Vielmehr lässt sich gar nicht verhindern, dass die Erwartungshaltung des Patienten einen Einfluss auf den Verlauf der Behandlung hat.

So weiß man, dass Spritzen, die Ärzte geben besser helfen als die, die Krankenschwestern geben.

Medikamente, die per Spritze gegeben werden, wirken besser als solche in Tablettenform.

Die Farbe einer Tablette hat Auswirkung auf ihre Wirksamkeit – Wer möchte nicht lieber eine rote statt einer grauen Herztablette?

Neben all diesen unterschwellig ablaufenden Prozessen wird der Placebo-Effekt schulmedizinisch auch ganz bewusst eingesetzt. So werden in bestimmten Situationen – offensichtlich ohne Schaden für die Patienten – z.B. Tabletten ohne Wirkstoff verabreicht.

Auch das ohne Zeitdruck geführte Patientengespräch mit einer kompetent und einfühlsam agierenden Ärztin bleibt schon für sich allein doch nicht ohne Wirkung.

Statt also das „Daran Glauben“ als etwas Verachtenswertes zu betrachten, wäre es da nicht angemessener, darüber zu staunen, wie allein eine bestimmte Einstellung zu einer Heilung oder Linderung beitragen kann?

Dass Schulmedizin und Jin Shin Jyutsu sowieso gut zusammen arbeiten können, kannst du außerdem noch in diesem Artikel vertiefend nachlesen.

Und wie ist es nun beim Strömen?

Wenn etwas so „Harmloses“ wie Jin Shin Jyutsu ganz ohne Spritzen, Medikamente, Operationen oder andere aufwändige technische Rituale eine Verbesserung der Situation bewirken kann und das allein aufgrund eines bestimmten Glaubens an seine Wirksamkeit – was sollte daran schlecht sein?

Ich will an dieser Stelle nicht abstreiten – und es wäre nach meinen bisherigen Ausführungen auch unlogisch – dass es auch bei der Behandlung mit Jin Shin Jyutsu zu einem Placebo-Effekt kommt.

Natürlich hat alleine der ganze Rahmen eine Wirkung. Man kommt zu einer Behandlung und hat eine Stunde Ruhe und Aufmerksamkeit ganz für sich. Meistens handelt es sich bei Jin Shin Jyutsu-Behandlungsräumen um schön hergerichtete Zimmer mit angenehmer Beleuchtung, ruhiger Atmosphäre und einer Liege, auf der man sich einfach ausruhen darf.

Da ist jemand eine ganze Stunde für einen da und behandelt ganz individuell. Man ist vielleicht auf Empfehlung einer Bekannten hier, die von den Sitzungen begeistert ist. So kommt man selber auch mit einer gewissen Erwartungshaltung in die Praxis.

Selbstverständlich hat all das schon einen Einfluss darauf, was in der folgenden Stunde dann passieren wird. Ich kann aber auch an dieser Stelle noch nicht erkennen, warum dies den Wert einer Behandlung herabsetzen sollte.

Meine ganz persönliche Erfahrung ist zudem, dass längst nicht alle mit einer hilfreichen Erwartungshaltung in eine Jin Shin Jyutsu-Praxis kommen.

Erwartungen können es auch schwer machen

Es sind nicht wenige Menschen, die vor der ersten Sitzung sehr nervös und sogar ängstlich sind. Da spuken Bilder über mysteriöse Dinge im Kopf herum und verhindern sogar, dass man sich auf der Liege entspannt.

Und es gibt auch Menschen, die mit einer so übersteigerten Erwartung in die Praxis kommen, dass sie sich damit selber im Weg stehen.

Wenn es da z.B. um die Frage geht, wie viele Sitzungen man denn brauche. Ich sehe immer wieder mal überraschte Gesichter, wenn ich am Anfang einer Behandlung erkläre, dass ich keine Zauberhände habe. Dass die Erkrankung, die einen vielleicht seit 20 Jahren plagt, nicht mit nur einer Sitzung zu beheben ist. Sondern dass man sich auf einen längeren Behandlungsverlauf einstellen sollte.

Oder wenn in der ersten Sitzung nicht gleich ein Feuerwerk abbrennt, sind manche enttäuscht und denken, dass Jin Shin Jyutsu nicht wirkt.

Tatsächlich haben wir es in diesen Fällen eher damit zu tun, dass eine aus verschiedenen Gründen unrealistische Vorstellung über die Wirkung von Jin Shin Jyutsu einen positiv wirkenden Placebo-Effekt sogar verhindert.

Es kommen auch Skeptiker zum Strömen

Die meisten treibt aber sowieso eher ein enormer Leidensdruck als die positive Neugier. Viele sind nach langer Odyssee irgendwann beim Jin Shin Jyutsu gelandet.

Die Erwartungen sind gering bis nicht vorhanden. Aber man will nichts unversucht lassen. Oder – wirklich nicht so selten – die wohlmeinende Ehefrau/Mutter/Freundin „schickt“ jemanden.

Viele der größeren Überraschungen erlebe ich in meiner Praxis tatsächlich mit genau diesen Personen. Die Haltung geht von

„Ich habe schon so viel probiert und es hat alles nicht geholfen. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich auch nicht, dass mir dieses hier helfen wird.“

bis hin zu

„Ich sage es Ihnen lieber ganz offen: ich glaube da überhaupt nicht dran. Ich komme nur, damit meine Frau Ruhe gibt.“

Das ist für die Arbeit eine sehr gute Ausgangsbedingung. Man kann zwar nicht so sehr auf den Placebo-Effekt hoffen, dafür sind die positiven Erlebnisse, die sich einstellen, dann umso eindrücklicher, schließlich wurden sie nicht erwartet.

Ganz ohne Placebo wieder ins Fußballstadion

Eine meiner Lieblingsgeschichten dazu ereignete sich mit einem Mann, der wegen Schmerzen in der Leiste bereits 16 Mal operiert worden war mit dem Ergebnis, dass er inzwischen arbeitsunfähig war. Er konnte kaum ein paar Schritte gehen, geschweige denn noch die Spiele seines heißgeliebten Fußballvereins im Stadion besuchen.

Ich lernte seine Frau kennen, die mir von seiner Leidensgeschichte erzählte. Vorsichtig bot ich meine Unterstützung an. Entgegen ihrer eigenen Erwartung schaffte sie es mit viel Überredungskunst, ihren Mann dazu zu bewegen, einmal zu mir in die Praxis zu kommen.

Er kam mit Krücken, sagte mir deutlich, dass er von all dem hier gar nichts hielte, seiner Frau aber diesen Gefallen tun wolle. Sprach’s, legte sich auf die Liege, starrte während der ganzen Sitzung an die Decke und vermittelte das Gefühl, dass er einfach hofft, dass es schnell vorbei geht.

Da wir seine Sitzungen mit Hilfe einer Stiftung finanzierten, gebot es die Höflichkeit, auch einen weiteren Termin zu vereinbaren, von dem ich aber nicht sicher war, ob er ihn wahrnehmen würde.

Er kam wieder und erzählte mir, dass er nach der letzten Sitzung nach Hause gekommen wäre, sich den Hund und seine Kinder geschnappt hätte und ohne größere Schmerzen einen kleinen Spaziergang mit ihnen machen konnte. Das erste Mal seit Monaten. Am nächsten Tag waren die Schmerzen wieder beim Alten, aber dennoch war die kurzzeitige Besserung nicht zu übersehen gewesen.

Wir machten also weiter. Zur dritten Sitzung kam er bereits ohne Krücken in die Praxis. Die Schmerzen gingen so deutlich zurück, dass er am Ende der 10 Behandlungen sogar wieder ins Fußballstadion gehen konnte.

Ich wäre zu gerne dabei gewesen, wie er versucht hat, seinen Fußballkumpels zu erklären, wieso es ihm wieder besser geht!

Noch mehr Gedanken zum Placebo-Effekt?

Hier geht’s weiter zu dem Artikel, in dem es darum geht, warum du das Argument, dass das Strömen auch bei Kindern und Tieren hilft und das ein Beweis gegen die alleinige Wirkung des Placebo-Effekts ist, besser nicht verwenden solltest.

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    11 Kommentare für "Alles „nur“ Placebo?"

    • Ayun Sigfalk

      Liebe Anke
      Ich finde deine Artikel toll!
      Es macht Spass, sie zu lesen und sie sind hilfreich.
      Vielen Dank!
      Liebe Grüsse Ayun

    • Thomas Neymeyer

      Hallo Anke, es gibt zu dem Thema ja inzwischen eine eigene medizinische Forschung. Ich bin da auch sehr interessiert. Di schreibst, dass du überzeugt bist, dass JSJ nicht allein mit dem Placebo-Effekt arbeitet, sondern dessen Wirkung weit darüber hinaus geht. Das verstehe ich nicht ganz. Meinst du, dass JSJ „noch“ mit etwas anderem „arbeitet“ und daher einen Effekt erzielt und/0der meinst du, dass der Effekt von JSJ über das hinaus geht, was an sichtbarem Effekt erreicht wird (also z.B. die Verschwinden der Leistenschmerzen bei dem Fußballfan).
      Letzten Sommer lief bei „Scobel“ auf 3sat eine Sendung dazu: Der Körper als Arzt, sehr sehenswert (JSJ kommt auch darin vor!). Man findet sie auf der Internetseite von 3sat und dort in der Mediathek. Hier der Link: http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=75158. Vermutlich kennst du die Sendung schon. Ich habe mir gleich mal die Bücher von Tobias Esch „Der Selbstheilungscode“ und von Christian Schubert „Was und krank macht, was uns heilt“ gekauft. Beide sehr lesenswert!
      Liebe Grüsse
      Thomas

    • Monika Fiechter-Alber

      Liebe Anke,
      du sprichst mir aus dem Herzen, wenn du den Placebo-Effekt würdigst und gleichzeitig auch schreibst, dass Jin Shin Jyutsu weit über den Placebo-Effekt hinaus wirkt.
      Viele Beispiele dafür gibt es in der Praxis..
      Danke für deine immer so praxisnahen Artikel, ich lese sie immer wieder mit Freude!
      Monika

    • Stefanie Holzer

      Liebe Anke, ich danke Dir für die Zusendung Deiner Texte! Ich lese sie gern, weil sie wie Briefe von einer Freundin sind: Der Frohsinn und die Zuversicht von Jin Shin Jyutsu erreicht alle Deine LeserInnen.
      Liebe Grüße aus Österreich
      Stefanie

    • Hedi Zengerle

      Servus Anke,
      ja diese Diskussionen, ob JSJ nur dann hilft, wenn man daran glaubt, kenne ich zur Genüge. Meine Antwort darauf: Wenn ich kleine Kinder oder Tiere ströme, ist es keine Frage des „daran-glauben“. Für beide gibt es nur die Abwägung: Angenehm oder nicht angenehm. Das ist das einzige, was entscheidet, ob ich weitermachen darf oder nicht. Wenn es als angenehm empfunden wird, „schmelzen“ die Tiere bildlich gesprochen in meine Hände und Kinder geben sich ganz hin. Ist es jedoch unangenehm, verschwinden beide so schnell von der Liege, dass ich nur noch hinterher schauen kann.

    • Isabella Habsburg

      Liebe Anke,
      was für ein prima Artikel. Meine Erfahrungen dazu:

      Bei Sätzen wie „ich glaube da überhaupt nicht dran. Ich komme nur, damit meine Frau Ruhe gibt.“ muss ich immer schmunzeln und sage: „Wissen sie, die Pferde die ich ströme, glauben auch nicht daran, zeigen aber starke Reaktionen und genießen offensichtlich“. Lachen, erstaunter Blick und schon ist die Unsicherheit am schmelzen.
      Natürlich kann man es sich so stark einreden, dass es nichts hilft und sich dadurch selbst blockieren oder eine zu hohe Erwartungshaltung haben, aber bei der Arbeit mit Babys und Tieren zeigt sich die Kraft des JSJ wirklich!

      Es gibt auch Tiere, die sich nicht strömen lassen, weil sie es unheimlich und beängstigend finden. Aber auch daran sieht man, dass sich im Körper etwas tut – bemerkenswert, im doppelten Sinne ;-).

      Die Da-muss-man-daran-glauben-Diskussion ist bei mir daher sehr kurz.

      Liebe Grüße aus Österreich
      Isabella

    • Hannelore Hejret

      liebe Anke,
      ich sage solchen „“Thomassen““ ganz schnell und direkt: „ich hab noch nie ein gläubiges Pferd oder einen gläubigen Hund gesehen“ (und genieße im Stillen ihre verdutzten Gesichter!)
      Das Buch von Christian Schubert („was uns krank macht und was uns heilt“) ist wirklich sehr aufschlußreich und liefert die medizinischen Beweise für die Wirksamkeit des Strömens.

    • Barbara Engelin

      Liebe Anke,
      ich bin erst vor Kurzem auf Dich im Internet aufmerksam geworden. Mir haben die 5 Anwender Tipps
      die Du mir geschickt hast sehr gut getan. Ich freue mich auf mehr Artikel von Dir.
      Diese Diskussionen ob es nur hilft wenn man daran glaubt, kenne ich zur Genüge. Ich kann das Zweifen
      auch zum Teil nachhvollziehen. Es gibt leider auch zu viele Scharlatane. Ich habe den 2. Grad im
      Reiki. Richtig an die heilsamen Kräfte habe ich erst geglaubt, als eine von mir behandelte Katze
      gesund wurde.
      Liebe Grüße

    • Ruth Neuhäuser

      Eine gute Beschreibung von uns Menschen -los lassen ist eine Kunst-diese dürfen wir üben und zeigen mit JSJ -Geduld mit sich ist ein hohes Gut -und auch ich darf täglich daran üben -der Alltag ist da und dies ist gut so – denn ich alleine bin der liebende Versorger für mich 🍀💕 -also liege ich in den besten Händen

    • Christine Hollenstein

      Liebe Anke,
      auch ich möchte mich für deine wundervollen Artikel und Videos bedanken. Da steckt auch unwahrscheinlich viel Arbeit drin. Das ist für alle eine große Bereicherung, egal ob „Einssteiger“ oder „Fortgeschrittener“. Die Beschreibung des Placeboeffekts trifft es wirklich gut. Aus meinen Erfahrungen kann ich nur bestätigen, dass es gerade bei den Skeptikern zu überraschenden Ergebnissen kommt. (Vielleicht weil sie an „Nichts“ denken und „Alles“ möglich ist :-) Ebenfalls bei Kindern und Tieren, wie oben schon so schön beschrieben. Jin Shin Jyutsu geht für mich weit über den Placeboeffekt hinaus. Immer wieder staune ich über meine Aha Erlebnisse, wenn sich mir neue Zusammenhänge auftun. Nicht umsonst eine lebenslanges Studium zum „Erkenne dich selbst“.

    • Irmgard Löschhorn

      Liebe Anke,
      bei den JSJ Workshops bat ich die Teilnehmer ihre Aufliegefläche am Boden als Spiegelbild zu „speichern“. Nach dem Hautzentralstrom bat ich wieder darum. Jedes mal bereiteten mir die verdutzten Gesichter und die Feststellung, ja nur die Vorderseite des Körpers berührt zu haben, Freude. Diese spürbare Veränderung ließ selbst bei großen Skeptikern Neugierde aufkommen.
      Liebe Grüße aus dem Mostviertel in Österreich
      Irmgard

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