Ausbildung-Jin Shin Jyutsu

Wenn ich Jin Shin Jyutsu beruflich anwenden möchte: Gibt es dafür eigentlich eine offizielle Ausbildung, mit der ich mich auf der sicheren Seite fühlen kann? Wann bekomme ich ein Zertifikat, und was sagt dieses aus? Gedanken dazu gibt’s in diesem Artikel (Stand September 2023).

Auch auf die Gefahr hin, manche zu desillusionieren, zu verunsichern oder zu verärgern: Es ist Zeit, mal offen zu reden.

Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich im Laufe meines Jin Shin Jyutsu-Lebens danach gefragt wurde, ob es eine Jin Shin Jyutsu-Ausbildung gibt, wo man eine solche machen kann usw.

Es ist eine Idee, die vor allem diejenigen beschäftigt, die Jin Shin Jyutsu auch beruflich anwenden möchten.

Der Gedanke liegt zunächst nahe: Von anderen Fachrichtungen sind wir es gewohnt, dass es irgendeine Form von „Ausbildung“ gibt, die uns am Ende zu bestimmten Dingen berechtigt oder doch zumindest bescheinigt, dass wir uns in einem Bereich erfolgreich fortgebildet haben.

Doch beim Strömen ist so manches anders. Und das macht – zumindest aus einer bestimmten Perspektive betrachtet – auch sehr viel Sinn. Schauen wir also etwas genauer hin

Ist Jin Shin Jyutsu-Praktiker:in überhaupt ein Beruf?

Beginnen wir mit den Fakten. Diese beziehen sich auf Deutschland, gelten jedoch mehr oder weniger überall:

Jin Shin Jyutsu-Praktiker:in ist kein anerkanntes Berufsbild, daher gibt es auch keine Möglichkeit, diesen Titel als offizielle Berufsbezeichnung zu erwerben*. Es ist entsprechend keine rechtlich geschützte Bezeichnung. Im Prinzip kann sich jeder so nennen.
Es gibt bisher keine Institute, Verbände o.ä., die eine offiziell zertifizierte Ausbildung in Jin Shin Jyutsu anbieten. Um ein Zertifikat ausstellen zu können, das wirklich Aussagekraft hätte (z.B. Krankenkassen gegenüber) müsste ein Ausbildungsanbieter viele Bedingungen erfüllen. Dies wäre mit sehr großem Aufwand verbunden und wurde noch von niemandem umgesetzt**.

* Meines Wissens ist nur in Österreich die Lage ein wenig anders. Dort gibt es das freie Gewerbe „Energetiker:in“, für das es keinen Ausbildungsnachweis braucht. Im Rahmen dessen kann man als Jin Shin Jyutsu-Praktiker:in arbeiten.

** In Morristown, USA, hat es an einem Krankenhaus vor einigen Jahren ein erstes Zertifizierungsprogramm für medizinisches Personal gegeben. Dieses wurde jedoch nicht fortgeführt.

Wie ist das Erlernen - die Ausbildung - bisher geregelt?

Der vorgeschlagene Ablauf einer Ausbildung sieht bislang so aus:

Nach dem empfohlenen Besuch von Selbsthilfekursen bei Selbsthilfe Lehrenden gibt es die sogenannten 5-Tage-Kurse.

Diese werden von der Fakultät von Jin Shin Jyutsu Spirit • Mind • Body (früher“ JSJ Inc.“ bzw. später „Mary Burmeister JSJ Institute“) angeboten. Dort lernt man Ströme kennen, die sich für die Anwendung bei anderen eignen, und erfährt u.a. mehr über das Körperlesen und Pulsehören.

Mehr über das allgemeine Erlernen von Jin Shin Jyutsu und die einzelnen Kursformen kannst du hier nachlesen: Wie lernt man Jin Shin Jyutsu?

Hat man drei dieser 5-Tage-Kurse besucht (in Zeiten von Online-Seminaren mindestens einen davon in Präsenz), bekommt man ein Zertifikat.

Ausbildung-Zertifikat-Jin Shin Jyutsu
Dieses bescheinigt die Teilnahme an 3 Kursen.
Weiterhin ist man damit berechtigt, eingeschränkt Materialien und das offizielle Logo von Jin Shin Jyutsu für sich zu nutzen und sich Jin Shin Jyutsu-Praktiker:in zu nennen (was man jedoch auch ohne dies könnte, da beides in Europa nicht geschützt ist).
Außerdem kann man sich als Praktiker:in in eine öffentlich zugängliche Datenbank eintragen lassen, die früher in der Zentrale in den USA bzw. jetzt noch in den jeweiligen Länderbüros geführt wird. Hierfür muss man weitere regelmäßige Fortbildung nachweisen.

Im Klartext bedeutet das:
Das Zertifikat ist kein Nachweis über tatsächlich vorhandene Kenntnisse und Fertigkeiten, sondern eine reine Teilnahmebescheinigung.

Und noch ein Hinweis

David Burmeister, der Sohn von Mary Burmeister, betonte immer wieder, dass seine Mutter die 5-Tage-Kurse nie im Sinne einer Ausbildung, geschweige denn zur Vorbereitung auf die professionelle Anwendung von JSJ konzipiert hat. Sie sollten diesen Anspruch nicht erfüllen und tun das in ihrer bisherigen Form bis heute nicht.

Mehr Formelles

Es gibt eine offizielle Orientierungshilfe für JSJ-Studierende (Stand Oktober 2023). Hier kannst du noch ausführlicher zur Ausbildung, den Rechten und Pflichten von Praktiker:innen, zum Geben von Selbsthilfekursen usw. nachlesen:

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich möchte den Kursen keinesfalls ihre Berechtigung absprechen, ganz im Gegenteil. Doch stellt sich die Frage, inwieweit der Erwerb dieses Zertifikats das alleinige Ziel sein sollte. Doch dazu später noch mehr.

Wenden wir uns jetzt nämlich zunächst der aktuellen Situation zu.

Wie ist die aktuelle Situation?

Schon seit vielen Jahren herrscht unter Jin Shin Jyutsu-Studierenden Verunsicherung. Diese Verwirrung hat sich vor allem in der letzten Zeit noch vergrößert.

Bereits sehr lange gibt es Personen, die nicht von offizieller Stelle autorisiert sind, und ihre eigenen Kurse zum (professionellen) Erlernen von Jin Shin Jyutsu anbieten. Diese Angebote nehmen immer weiter zu.
Zudem haben im Laufe der Jahre – und gerade auch wieder aktuell - mehrere Lehrerinnen und Lehrer die offizielle Fakultät verlassen. Sie haben inzwischen separate Kurssysteme aufgebaut und bieten parallel zu den offiziellen Kursen eigene Formate an.

Da stellt sich für viele die Frage, bei wem sie ihre Kurse absolvieren wollen und sollen.

Ausbildung-Stempel

Offiziell anerkannt im bisherigen Sinne – und autorisiert durch David Burmeister – sind nur die Kurse der Fakultät von JSJ Spirit • Mind • Body. Allein sie zählen, wenn es um die 3 Kurse für das besagte Zertifikat geht.

Doch sind die Kurse, die von ehemaligen Mitgliedern der Fakultät angeboten werden, jetzt weniger wert oder nicht mehr so gut?

Und was ist mit den Angeboten, die es sonst noch so gibt?

Wie findet man seinen „Ausbildungsweg“?

Ich gebe gerne zu, dass es mir wie vielen anderen geht: Ich habe mir schon manches Mal gewünscht, dass die Ausbildungssituation übersichtlicher und systematischer wäre.

In den Diskussionen rund um das Thema der Ausbildung gibt es jedoch auch Argumente, die das Thema von einer anderen Seite beleuchten:

Wie könnte und müsste eine Ausbildung aussehen, die das Erlernen einer Kunst sicherstellt? Eine Kunst, die so individuell ausgeübt wird?
Wer könnte wie beurteilen, wann jemand „so weit“ ist, den Titel Jin Shin Jyutsu-Praktiker:in zu tragen?
Wie ließe sich das Erlernen einer Kunst so standardisieren, dass ein normiertes Curriculum daraus entstehen könnte?

Aus dieser Perspektive betrachtet stellt sich dann eher eine andere Frage:

Brauche ich überhaupt ein Zertifikat?

In der Realität sieht es doch so aus: Es gibt Menschen, die schon nach kurzer Zeit intensiv ins Strömen einsteigen und einen selbstverständlichen Zugang dazu haben. Oder sie bringen bereits viele Vorkenntnisse aus verwandten Richtungen, wie z.B. der TCM, mit.

Andere besuchen über viele Jahre zahlreiche Kurse und fühlen sich doch nie wirklich bereit, andere Menschen zu strömen.

Das Zertifikat ist am Ende nicht mehr als ein Stück Papier. Es sagt nichts darüber aus, ob jemand befähigt ist, Jin Shin Jyutsu professionell anzuwenden oder nicht.

Stattdessen sind es viele andere Faktoren, die das beeinflussen.

Wann also bin ich Jin Shin Jyutsu-Praktiker:in?

Ist es am Ende nicht so, dass wir diese Entscheidung in Eigenverantwortung treffen müssen?

Niemand kann mir abnehmen, mich selbst ganz ehrlich dazu zu befragen.

Fühle ich mich bereit, andere Menschen therapeutisch zu berühren?
Bin ich den Situationen gewachsen, die da evtl. auf mich zukommen?
Habe ich genug Hintergrundwissen, fühle ich mich sicher in dem, was ich tue?
Habe ich genügend praktische Erfahrung im Strömen anderer?
Bin ich oft genug geströmt worden, ströme ich mich regelmäßig selbst?
Kann ich ein professionelles Setting für Sitzungen anbieten?

Welche Kurse wähle ich nun?

Bleibt die Frage: Bei wem mache ich denn jetzt meine Kurse? Mache ich nur die „offiziell anerkannten“, damit ich mein Zertifikat bekomme? Oder „darf“ ich auch zu anderen gehen?

Ich kann niemandem diese Entscheidung abnehmen und möchte auch in keine Richtung beeinflussen. Es gibt nicht DIE richtige Entscheidung, die für alle gilt.

Vielleicht helfen jedoch folgende Gedankenanstöße, die Auswahl im Herzen zu bewegen:

Welche Lehrer:innen interessieren dich, welche sprechen dich an? Bei welchen hast du das Gefühl, dass du von ihnen etwas lernen kannst, was dir IM MOMENT weiterhilft? Geh zu diesen.
Genieße die Vielfalt: Verschiedene Lehrer:innen haben unterschiedliche Schwerpunkte und es lohnt sich, möglichst viele von ihnen kennenzulernen. Du wirst dann im Laufe der Zeit immer genauer herausfinden, in welche Richtung es dich zieht.
Wie wichtig ist das Zertifikat für dich? Wofür brauchst du es evtl. zwingend? Behalte dabei im Hinterkopf, dass es nicht um ein Stück Papier oder die Anzahl von Stunden geht, die du in Kursen verbringst. Sondern darum, dass du Jin Shin Jyutsu wirklich studierst und lebst.
Wenn du Jin Shin Jyutsu beruflich anwenden möchtest: Welche Kurse bringen dir das nötige fachliche Wissen und begleiten dich am besten auf deinem Weg dahin?

Beachte dabei noch folgendes:

Es gibt inzwischen alle möglichen „Ergänzungen“ und „Abwandlungen“ von Jin Shin Jyutsu in der Welt, auch unter anderen Namen. Hier gilt es aufzupassen. Als Daumenregel empfehle ich: 

Achte darauf, dass die Person mind. einer der Quellen – also Haruki Kato oder Mary Burmeister – nahesteht. Leider ist das von außen nicht immer leicht zu erkennen. Dann frage gerne jemanden in deiner Jin Shin Jyutsu-Welt, dem du vertraust und der vielleicht einen besseren Überblick hat.

Ob du dann „reines“ Mary Burmeister-Jin Shin Jyutsu oder eher Kato-Material bevorzugst oder ob du beides interessant findest – das bleibt dir und deinem Geschmack überlassen.

Ausblick

Die Ausführungen in diesem Artikel sind nur eine Momentaufnahme. Manches in der Jin Shin Jyutsu-Welt befindet sich gerade im Wandel, und wir dürfen gespannt sein, wie die Entwicklung weitergeht.

Neue Kurskonzepte dürfen gedacht werden und entstehen bereits.

So wird z.B. die dreimalige Wiederholung des 5-Tage-Kurses von manchen Lehrenden schon durch andere Formate ersetzt.

Es sind viele Ideen dazu in der Welt. Bleiben wir offen dafür – und lassen wir uns nicht von Formalien oder Verunsicherung in unserem Studium einschränken. Das wäre wirklich, wirklich schade!

Ganz abgesehen davon sollten wir niemals dem Irrtum erliegen, dass das Studium mit dem Absolvieren der drei 5-Tage-Kurse – oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt – „abgeschlossen“ sein könnte! Es wird immer etwas zu vertiefen und zu ergründen geben.

Ich möchte mit Worten von Mary Burmeister schließen:

Bleibe dabei, jeden Tag zu studieren und die Notizen zu lesen, die du dir bei deinen Lehrern gemacht hast. Konzentriere dich auf: Das ist alles, was ich heute weiß. Was wir heute wissen müssen, werden wir haben. Was wir morgen brauchen, wird kommen. Ich habe 20 Jahre gebraucht, um zu sagen: Oh, das bedeutet es! Danach habe ich angefangen, jede Unterrichtsstunde, jedes geschriebene Wort zu studieren. Ich habe es wirklich in meinen Gedanken verarbeitet und jeden Tag mehr und mehr verstanden.

Amerikanische Ausgabe des Main Central, Vol. 1, Nr. 2

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    9 Kommentare für "Gibt es eine Ausbildung in Jin Shin Jyutsu?"

    • Cordula

      Liebe Anke,
      herzlichen Dank für deine klaren Worte. Eine wahnsinns Arbeit, die dahinter steckt, so einen Text zu verfassen.
      LG von Cordula Beeser aus Krefeld

    • Margit

      Danke, liebe Anke, das hast du prima formuliert. Leben, studieren und geben wir die Kunst von Jin Shin Jyutsu nach Mary Burmeister und Kato in die Welt.

    • Ariane

      Hallo Anke!
      Vielen Dank für diesen Newsletter mit diesem wundervollen Abschluss von Mary.
      Ich bin seit 2010 beim Strömen. NIE denke ich : „Jetzt weiß ich es!“ Es öffnen sich täglich neue Räume für Gedanken, Gefühle und Verstehen. DAS empfinde ich als das große Geschenk vom Jin Shin Jyutsu.
      Herzliche Grüße von Ariane

    • Eva de Jong

      Liebe Anke,
      Danke dir für diese Klarheit!
      Herzliche Grüße
      Eva

    • Monika Fiechter-Alber

      Liebe Anke,
      Ein großes Danke für diesen Newsletter! Sehr differenziert schaffst du Klarheit, was sich gerade im JSJ- Universum tut, wie Dinge einzuordnen sind in einem größeren Ganzen. Möge die Vielheit in der Einheit Platz haben und als Bereichrung gesehen werden.

    • Elisabeth Jürschik

      Liebe Anke!
      Ganz herzliche Grüße an Dich aus Tirol!
      Danke für dein umsichtiges Sprachrohr Sein, indem Du immer wieder wichtige Themen im JSJversum aufgreifst und so achtsam von verschiedenen Seiten beleuchtet. Das hilft mir – und anderen – sehr, an aktuellen Entwicklungen dran zu bleiben und daraus können wieder neue Entwicklungen weitergehen.
      Alles Gute in den Norden
      Elli Jürschik

    • Heidi Kümin

      Liebe Anke
      Herzlichsten Dank für deinen wunderbaren Artikel.
      JSJ als Kunst anzuwenden ist was mich immer wieder begeistert.
      Mich in diesem Spielfeld zu probieren und zu entwickeln, Erfahrungen zu sammeln und immer weiter zu lernen empfinde ich als pures Leben . . . wozu da ein Abschluss . . .
      DankeDanke von Herzen für dein stetiges tun.

    • Doris Grellmann

      Liebe Anke!
      Ich danke Dir von Herzen für Deine Worte und spüre eine große Übereinstimmung. Ja, auch für mich ist Eigenverantwortung der wichtigste Punkt. Die Kunst zu leben ist ein Training von Augenblick zu Augenblick und wird tiefer und tiefer mit der Bewusstheit wer ich wirklich bin. So darf jeder individuell seine Erfahrungen sammeln und erkennen, dass Trennung eine Falle des Persönlichkeitsselbst ist. In diesem Sinne viel Licht und Liebe in Verbindung mit ALLEM was IST. Doris

    • Viola Hölzlsauer

      Fein umrissen, was aktuell gefragt wird; lebensbegleitendes studieren ist meine einschätzung; um nicht abzustumpfen und immer wieder staunend, wie viele schätze diese unglaubliche jsj kiste preis gibt…… the never ending story……. Merci

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